70 Jahre Yamaha: Zeitreise der Legenden bei Hostettler Schweiz
Von YA 1 bis R1 war bei diesem Rundgang alles mit dabei
Im Herzen von Sursee öffnet Hostettler Yamaha Schweiz seine Tore und zeigt, was sich über Jahrzehnte angesammelt hat: wahre Diamanten aus 70 Jahren Motorradgeschichte. Zwischen der dunkelroten YA 1 von 1955, den XT 500 Dakar Helden und der legendären R1 führt Vincent Mentha durch eine Sammlung, die Yamahas Seele atmet. Von den ersten Siegen am Mount Fuji bis zum kommenden V4 zeigt sich eine klare Formel: Copy, Improve, Race, Sell. Seit 70 Jahren steht Yamaha für Emotion, Zuverlässigkeit und Racing als Identität. Eine Reise durch sieben Jahrzehnte Leidenschaft und ein Blick in die Zukunft.
Die Tür öffnet sich und wir stehen in Sursee vor einer dunkelroten 125er aus dem Jahr 1955. Vincent Mentha, Geschäftsleiter von Hostettler Yamaha Schweiz, lächelt: "Das war die beste Werbung, ein Sieg beim ersten Rennen."
Es ist Oktober 2025 und Yamaha feiert 70 Jahre Motorradgeschichte. Hier bei Hostettler in Sursee, wo die Partnerschaft seit 1968 besteht. Vor uns steht eine Sammlung, die lebt. YA 1 Red Dragonfly, XS 650, XT 500 mit Alu Tank, V Max, R1 und die Werksrennmaschinen von Michel Frutschi und Bruno Kneubühler, zwei Schweizer Helden auf Yamaha TZ 500 und TZ 750.
Vincent Mentha ist seit 1985 dabei, 32 Jahre. Er hat die erste V Max getestet, "wie ein Ritt auf der Kanonenkugel", die R1 Revolution miterlebt und kennt jede Schraube dieser Sammlung.
Die Yamaha Formel: Copy, Improve, Race, Sell
"Der rote Faden in diesen 70 Jahren ist für mich bei Yamaha die Leidenschaft, die Passion", sagt Mentha. "Diese Leidenschaft war über all die Jahre immer eng verbunden, nicht nur mit Verkaufserfolgen, sondern auch mit Racing."
Die Formel lautet: Marktführer anschauen, DKW, Triumph oder Hot Rods. Besser machen, vier Gänge statt drei, kein Ölleck. Im Racing beweisen, ob am Mount Fuji, bei der Paris Dakar oder in der MotoGP. Mit der Racing Story verkaufen. 70 Jahre wiederholen.
"Die beste Werbung ist nach wie vor der Renn Einsatz", sagt Mentha. Von Mount Fuji 1955 bis MotoGP 2027 funktioniert die Formel.
Die Anfänge von Yamaha Motorrad: 1955-1970, als Kopieren zur Kunst wurde
Vincent Mentha deutet auf die dunkelrote 125er. "Das ist das allererste Motorrad von Yamaha." Die YA 1, genannt Red Dragonfly. 1955. Japan nach dem Krieg. Genichi Kawakami hat eine Vision: "Die Leute brauchen individuelle Mobilität."
Yamaha kopiert die DKW RT 125, aber besser. "Die Ingenieure haben jedes Detail überarbeitet, im Sinne von Zuverlässigkeit und Langlebigkeit." Die DKW hatte drei Gänge, die YA 1 vier. "Das war schon damals eine kleine Revolution." Und auch die Farbe war mutig. Dunkelrot statt schwarz. "Das hat dazu beigetragen, dass das Motorrad sofort erkennbar war."
5,6 PS, 11.000 Stück zwischen 1955 und 1958. Aber das Entscheidende war Mount Fuji 1955. Yamaha tritt an und gewinnt beim ersten Versuch. "Das war die beste Werbung, ganz klar." Die Formel ist geboren.
1970: Die XS 650 erobert Europa
Eine XS 650, schwarz und schlank. "Damals war Yamaha bekannt für seine Zweitaktmaschinen", sagt Mentha. "Aber die Konkurrenz war schon da mit Viertaktmodellen, unter anderem Honda mit der CB 750." Yamaha orientiert sich an den Triumph Twins und macht sie besser. "Der Motor hat sich an den Triumph Motoren inspiriert, aber die Ingenieure haben ihn zuverlässiger gemacht." Er zeigt nach unten. "Da ist keine Ölfläche."
Parallel Twin, 650 ccm, 53 PS. Tokyo Motor Show 1969, Markteinführung 1970. "Das Motorrad hatte sofort sehr positives Echo." Und Hostettler? "1970 haben wir mit der XS 650 angefangen."
Die Formel funktioniert. Triumph kopiert, verbessert, Europa erobert.
Für Yamaha Offroad-Enthusiasten: XT 500 - Die Maschine, die überall hinfuhr
Wir stehen vor einer schwarzen Enduro mit goldfarbenen Felgen und poliertem Alu Tank. Vincent Mentha grinst. "Das ist die XT 500, die Abenteuermaschine." 1976. Las Vegas Motor Show. 500 ccm Einzylinder, 27 PS, Viertakt. "So robust und einfach konzipiert, dass man praktisch überall auf der Welt fahren konnte." Klingt perfekt. Aber es gab ein Problem.
Das Wadenbein Problem
"Beim ersten Jahrgang 1976 gab es dieses Schauglas noch nicht", erklärt Mentha und zeigt auf die Stelle, wo man den Kolbenstand sehen kann. Ohne Schauglas hiess es: Dekompressionshebel ziehen, kicken, hoffen. "Das war ein richtiges Männer-Motorrad zum Ankicken. Einige der ersten Kunden erinnern sich daran, dass sie Wadenbeinverletzungen hatten, weil der Kickstarter zurückgeschlagen hat." Der Kickstarter schlug hart zurück. 1977 kam das Schauglas. Problem gelöst.
Jean Claude Olivier und Paris Dakar
Jean Claude Olivier, der französische Yamaha Chef, erkannte das Potenzial sofort. Er setzte die XT 500 bei der Wüstenrallye Abidjan Nice 1976 ein. Der grosse Coup folgte 1979 bei der ersten Paris Dakar. Cyril Neveu gewinnt auf einer XT 500. 1980 standen drei XT 500 auf den ersten drei Plätzen. "Da war die Reputation schon klar, das war wirklich die Abenteuermaschine."
Der Verkaufsschlager
"Bis Ende 1982 wurden allein in Deutschland 20.000 Stück verkauft. Das ist ein Riesenerfolg", sagt Mentha. Ab 1981 kam der polierte Alu Tank mit goldenen Felgen. Die XT 500 blieb bis 1989 im Programm, mit Doppelfederbeinen. "Man hat die XT 500 immer auf den ersten Blick erkannt."
Paris Dakar Sieger und Pendler Bike in einem. Die XT 500 war das perfekte Beispiel für Yamahas Philosophie: robust bauen, im härtesten Rennen beweisen, als Legende verkaufen.
Die 70er-80er: Als Rennfahrer noch Helden waren
Neben der XT 500 stehen sie: TZ 500, TZ 750, TZ 350. Production Racer. Zweitakter mit Auspuffen ohne Schalldämpfer. "Die waren damals so laut, dass die meisten Rennfahrer dieser Zeit heute noch Hörschäden haben", sagt Mentha.
TZ 750: Über 300 km/h mit Michel Frutschi
Die TZ 750. Vierzylinder, Zweitakt, 750 ccm, über 120 PS. "Das war unglaublich brutal zu fahren." Mentha wird ernst. "Die damaligen Rennfahrer waren richtige Helden. Über 300 km/h mit einer solchen Maschine zu fahren, das war nichts für Schwache."
Diese TZ 750 ist etwas Besonderes. "Sie gehört zur privaten Sammlung von Peter Hostettler. Eine Maschine mit teilweise Werkskomponenten." Michel Frutschi fuhr sie in den 70er Jahren. "Hier sieht man die Titan Vergaseranlage, das ist extrem selten. Oder die spezielle Werks Vordergabel." Frutschi verunglückte Anfang der 80er Jahre tödlich bei einem Grand Prix. Die Maschine überlebte. Heute steht sie in Sursee.
Bruno Kneubühler und Team Elf
Daneben steht die TZ 350 des Schweizer Team Elf. Fahrer: Bruno Kneubühler. "Bruno Kneubühler ist sehr bekannt in der Schweizer Rennszene. Er war während der ganzen 70er Jahre aktiv."
Der Tank trägt Gravuren von jedem Grand Prix, an dem er teilnahm. Mit Unterschrift. "Hier auf dem Tank ist jedes Rennen beschrieben, sogar mit seiner Signatur."
Diese Maschinen waren rollende Labore. Was hier funktionierte, fand später den Weg in die Strassenmodelle. Racing war keine Werbung, Racing war Entwicklung. Doch der Preis war hoch.
Yamaha Motorrad in den 80er: Saint-Tropez und die Kanonenkugel
Eine V Max, Baujahr 1987. Vincent Mentha lächelt. "Ich kann aus eigener Erfahrung erzählen, wie meine erste Begegnung 1985 war." Eine Geschichte, die in Amerika begann, in Frankreich explodierte und in der Schweiz diskret wurde.
Die Saint Tropez Legende
Ed Burke von Yamaha USA hatte eine Vision. Ein Muscle Bike für Amerika. V4 Motor, 1200 ccm, 145 PS. Nur für den amerikanischen Markt gedacht.
Dann kam Jean Claude Olivier. "Olivier sah den Prototyp in Japan und war sofort elektrisiert." Er sagte: "Dieses Motorrad brauchen wir in Frankreich. Japan reagierte zögerlich. "Stopp, nicht möglich." Doch Olivier bekam zehn Testmaschinen, gedrosselt auf 100 PS. Sommer 1985. "Im Showbusiness hatte er gute Verbindungen. Er gab einem Kollegen eine V Max und sagte: Fahr nach Saint Tropez und zeig das Motorrad den VIPs."
Der Plan ging auf. "Innerhalb weniger Wochen kamen 30 Bestellungen." Japan war überzeugt. Europa bekam die V Max.
Die Schweizer Lösung: Diskret
Ein Problem blieb. Fritz Egli aus Bettwil importierte V Max Modelle direkt aus Kanada, mit 145 PS und V Boost. Hostettlers Antwort: "Wir haben sehr diskret V Boost Anlagen separat verkauft."
War das legal? Mentha schmunzelt. "Die 145 PS Version war offiziell nicht erlaubt. Aber die Leute wollten einfach die volle Leistung."
Der Ritt auf der Kanonenkugel
1985, Mentha erinnert sich. "Wir machten einen Abendausflug mit einer der ersten V Max. Das war wie ein Ritt auf der Kanonenkugel. Der Motor hatte so viel Drehmoment und Leistung, dass das Fahrwerk kaum nachkam."
Ehrlich fügt er hinzu: "Das Fahrwerk war etwas unterdimensioniert. Viele Kunden haben später einen breiteren Lenker montiert."
Rund 100.000 Stück wurden weltweit verkauft. "Das Motorrad war Kult. Es war roh, laut und unverwechselbar."
Die 90er: Als Yamaha Motorrad 'radikal' neu definierte
Eine R1. Erste Generation, Jahrgang 1998. Vincent Mentha wird ernst. "Das richtige Wort ist radikal. Aber sie haben es trotzdem gemacht, und ich sage: zu Recht."
In Japan gab es Widerstände. "Man fragte sich, ob es überhaupt politisch korrekt sei, so ein Motorrad zu bauen." 150 PS, knapp 200 Kilo vollgetankt. "Die R1 wurde von Anfang an als Rennmaschine mit Strassenzulassung konzipiert. So etwas hatte es vorher nicht gegeben."
Die R1 war nicht einfach zu fahren. Keine Traktionskontrolle, viel Leistung, aggressives Chassis. Viele Highsider. Doch wer sie beherrschte, erlebte die Revolution. "In der Produktion von Sportmaschinen hat sie wirklich eine neue Ära eröffnet."
Das Beeindruckende: "Man sieht heute noch viele Maschinen aus dem ersten Jahrgang 1998, mit 100.000 oder mehr Kilometern." Radikal gebaut, aber zuverlässig. Racing DNA, aber langlebig.
Hostettler & Mentha: Die Schweizer Connection
Wir stehen immer noch in Sursee. Vincent Mentha zwischen Maschinen, die er teilweise selbst erlebt hat. "1985, damals ganz jung, noch ohne graue Haare", sagt er lächelnd. 40 Jahre später ist er Geschäftsleiter. Die Haare grauer, die Passion geblieben.
"Die Geschichte von Hostettler und Yamaha hat 1968 begonnen. Das war das erste Importjahr durch Hostettler für die Schweiz und Liechtenstein." 57 Jahre später besteht die Partnerschaft immer noch. XS 650, XT 500, V Max, R1, alles wurde miterlebt.
"Total sind es 32 Jahre", sagt Mentha über seine Zeit bei Hostettler. Der Ritt auf der Kanonenkugel 1985, die R1 Revolution, die TZ Maschinen. Er spricht offen, ehrlich und ohne PR Filter. Wadenbeine? Erwähnt. Illegale V Boost Anlagen? "Sagen wir es so, wie es war." Genau diese Ehrlichkeit macht seine Erzählungen glaubwürdig.
Die Maschinen gehören zur Privatsammlung von Peter Hostettler. Frutschis TZ 750. Kneubühlers TZ 350. "Hier wird Heritage nicht verkauft. Hier wird sie bewahrt."
Auch Fritz Egli aus Bettwil wird erwähnt. Er brachte V Max Modelle mit 145 PS aus Kanada in die Schweiz. Konkurrenz? "Vielleicht. Aber auch ein Beweis dafür, wie sehr die Schweizer dieses Motorrad wollten." "Wir verkaufen eigentlich nur Emotionen", sagt Mentha. "Niemand braucht ein Motorrad. Es ist ein Hobby, eine Leidenschaft." Diese Leidenschaft verbindet. Von Japan über Frankreich bis in die Schweiz.
Yamaha Motorrad in 2025 & Zukunft: Der rote Faden bleibt
Vincent Mentha lehnt sich zurück. "Der rote Faden ist Leidenschaft, Passion. Diese Leidenschaft war bei Yamaha immer verbunden mit Verkaufserfolgen und mit Racing." Die Formel hat 70 Jahre lang funktioniert. Doch was kommt jetzt?
MotoGP: Die Durststrecke und der V4
Yamaha kämpft. "Seit 2021, dem letzten MotoGP Titel von Fabio Quartararo, erleben wir eine Durststrecke." Europäische Hersteller investieren massiv. "Beispiel Ducati mit ihren Synergien aus dem Automobilbereich."
Yamahas Antwort ist klar. "Man hat erkannt, dass die Entwicklung des reinen Vierzylinders ausgereizt ist. Wenn Yamaha wieder auf Augenhöhe mit der Konkurrenz sein will, braucht es den V4." Der V4 ist fast fertig. "Das ist kein Prototyp mehr." Und mit dem neuen Reglement 2027 werden die Uhren wieder auf null gestellt. Mentha ist überzeugt. "Die Japaner kommen zurück. Yamaha wird wieder dort sein, wo sie hingehören."
Elektro und Philosophie
"Yamaha entwickelt weiter saubere Verbrennungsmotoren, aber Elektro ist natürlich ein Thema." Aktuell gibt es einen E Roller, weitere Modelle sind geplant. "Wie weckt man Emotionen? Natürlich über Racing. Und die beste Werbung ist noch immer der Renn-Einsatz. Das hat Yamaha 1955 schon verstanden." Von Mount Fuji 1955 bis MotoGP 2027. Von Benzin zu Elektro. Der Antrieb ändert sich, die DNA bleibt gleich.
"Ich bin sehr zuversichtlich, dass Yamaha diesen Weg mit derselben Passion Driven Philosophie weitergeht", sagt Mentha.
Fazit: 70 Jahre Yamaha Motorrad, eine Formel
Wir treten aus dem Showroom in Sursee. Hinter uns glimmen die Chromteile im Licht, die YA 1 in Dunkelrot, die XT 500 mit Alu Tank, die V Max, die R1. Maschinen, die Geschichte geschrieben haben. Vincent Mentha hat uns durch sieben Jahrzehnte Yamaha geführt, von 5,6 PS bis über 200, von Mount Fuji bis MotoGP.
Und eines ist klar: Die Formel hat sich nie geändert. Copy, Improve, Race, Sell, Repeat.
- 1955: DKW kopiert, Mount Fuji gewonnen.
- 1970: Triumph inspiriert, Europa erobert.
- 1976: XT 500 dominiert die Wüste.
- 1985: V Max sorgt in Saint Tropez für Aufsehen.
- 1998: R1 definiert Supersport neu.
Racing als Beweis. Zuverlässigkeit als Pflicht. Emotion als Produkt. Was sich geändert hat, sind nur die Werkzeuge. Zweitakt wurde Viertakt. Benzin wird zu Elektro. Der Reihenvierzylinder wird zum V4. Doch die Idee bleibt dieselbe. Die beste Werbung ist der Renn Einsatz. Yamaha verkauft keine Mobilität, Yamaha verkauft Emotion. Und wer das versteht, versteht auch, warum Racing bei Yamaha keine Abteilung ist, sondern Identität. 70 Jahre später zeigt sich: Leidenschaft ist kein Marketingbegriff. Sie ist die Triebfeder hinter jeder Schraube, jedem Kolben, jeder Idee. Yamaha bleibt Passion Driven. Seit 1955. Und für die nächsten 70 Jahre