KTM 390 Adventure R 2025 im Reise-Test - On-/Offroad-Tour
Wie kompromisslos ist die 390 Adventure R wirklich?
Die neue KTM 390 Adventure R zeigt sich radikaler und offroadorientierter als je zuvor. Gleichzeitig soll sie Langstrecke, Touring und Winkelwerk souverän meistern. Auf unserer Friaul-Tour zeigt sich, ob KTM der Spagat gelingt.
KTM hat die 390 Adventure für das Modelljahr 2025 völlig neu konzipiert. Radikaler, sportlicher und kompromissloser soll die neue KTM 390 Adventure R auftreten, ohne dabei ihre Adventure-DNA zu verlieren. Die zentrale Frage ist, ob sie trotz ihrer starken Offroad-Ausrichtung weiterhin jenen Spagat schafft, der die A2-Adventure-Klasse so anspruchsvoll macht: Tourentauglichkeit, Stabilität auf langen Etappen, Agilität im Winkelwerk und Leistungsfähigkeit im Gelände.
Eine mehrtägige Tour durch das nördliche Friaul bildet den idealen Prüfstand. Eng verwinkelte Pässe, wechselnde Beläge, steile Bergstraßen und Schotterpassagen zeigen schnell, wie ernst es KTM mit dem neuen Konzept meint. Doch bevor die ersten Höhenmeter anstehen, lohnt sich ein Blick auf die Technik.
Technische Daten & Details der KTM 390 Adventure R 2025
Der flüssigkeitsgekühlte Einzylinder der neuen 390 Adventure R bietet 398,7 Kubik, 45 PS bei 8500 U/min und 39 Nm bei 7000 U/min. Mit 176,5 Kilogramm vollgetankt ist sie spürbar leichter als viele Mitbewerber. Ride-by-Wire, Traktionskontrolle, Fahrmodi und ein optionaler Quickshifter runden die moderne Ausstattung ab. Das Offroad-Fahrwerk bildet das Herzstück des neuen Konzepts: WP Apex 43 mm voll einstellbare Gabel, WP Apex Split Piston Federbein, jeweils 230 mm Federweg und 272 mm Bodenfreiheit. Dazu kommen Speichenräder in 21 und 18 Zoll, bestückt mit Mitas Enduro Trail+. Mit 870 Millimetern Sitzhöhe, neuem TFT-Display, Windschutz, Handguards und Motorschutzplatte wirkt die KTM wie ein Miniatur-Pendant der großen Adventure-Modelle.
Die perfekte Basis für Motorrad-Touren im Friaul
Als Ausgangspunkt für unsere Testfahrten erweist sich das MoHo Bellavista in Ravascletto einmal mehr als ideal gelegene Heimatbasis. Das Hotel liegt mitten im nördlichen Friaul und bietet direkten Zugang zu einer Vielzahl spektakulärer Routen. Von hier aus starten zahlreiche Passstraßen, Schotterverbindungen und panoramareiche Höhenwege praktisch vor der Haustür. Die legendäre Panoramica delle Vette und der Pass über den Monte Zoncolan gehören ebenso dazu wie eine Vielzahl kleiner, oft übersehener Bergstrecken, die selbst erfahrene Alpenfahrer überraschen können.
Das Bellavista setzt auf eine klare Motorrad-Ausrichtung. Neben einem sicheren Abstellplatz für die Maschinen gibt es hilfreiche Services wie Trockenräume für Ausrüstung, Werkzeug und Routentipps des Personals, das die Region selbst gut kennt. Die Atmosphäre bleibt dabei bodenständig und unkompliziert, was nach langen Fahrtagen angenehm ist. Für Tourenfahrer und Testteams bietet das Hotel damit genau jene Mischung aus funktionaler Ausstattung und entspannter Gastfreundschaft, die man für mehrtägige Erkundungsfahrten in den Alpen benötigt.
Langstrecke geprüft: Wie schlägt sich die KTM 390 Adventure R auf der Autobahn?
Die Anreise führt von Wiener Neustadt über die Steiermark und Kärnten bis an die italienische Grenze - ideal, um die Langstreckentauglichkeit der 390 Adventure R zu testen. Der massive Windschild sorgt bei Fahrern um 1,75 Meter für sehr gute Windabweisung. Größere Fahrer spüren den Luftstrom im Stirnbereich und leichte Verwirbelungen, können diese aber durch eine veränderte Sitzhaltung reduzieren. Die Sitzposition ist sportlich, die Fußrasten stehen vergleichsweise hoch und erzeugen einen spitzeren Kniewinkel als bei klassischen Reisetourern - noch immer tauglich für lange Etappen, aber eindeutig sportlicher orientiert. Der Einzylinder dreht bei Autobahntempo rund 7000 U/min. Akustisch ist der Motor präsent, aber die Vibrationen bleiben im Rahmen und führen nicht zu Taubheitsgefühlen. Für eine kleine Reiseenduro mit drehfreudigem Motor ist das Ergebnis solide.
Das WP-Fahrwerk zeigt zunächst seine straffe Seite und gibt kleine Unebenheiten deutlicher weiter. Nach einer Reduktion der Dämpfung wird die 390 Adventure R allerdings spürbar komfortabler und filtert größere Wellen souverän. Die Sitzbank zeigt mit der Zeit ihre Härte, was angesichts der sportlichen Ausrichtung jedoch nicht überrascht. Mit einem Verbrauch von gemessenen 4,22 Litern auf 100 Kilometer und einem 14-Liter-Tank sind Reichweiten von etwas über 300 Kilometern realistisch - für lange Touren absolut ausreichend.
Agil, leicht und direkt: Die Stärken der 390 Adventure auf kurvigen Passstraßen
Die echte Entschädigung nach der langen Autobahretappe folgt am Nassfeldpass. Hier zeigt die 390 Adventure R ihre größte Stärke: Agilität. Die langen Federwege bilden bei wechselndem Asphalt ein Polster, die Gabel taucht beim harten Bremsen zwar deutlich ein, bleibt aber kontrollierbar. Gleichzeitig sorgt das niedrige Gewicht dafür, dass sich die KTM mühelos von Kurve zu Kurve werfen lässt. Das Einlenkverhalten ist leicht, präzise und sportlich, ohne dabei nervös zu wirken. Selbst mit den grobstolligen Mitas-Enduro-Reifen bleibt die Maschine berechenbar. Der breite Lenker ermöglicht ein intuitives Reindrücken in Schräglage, während das leichte Chassis hohe Kontrolle vermittelt.
Der optional verbaute Quickshifter funktioniert schnell und zuverlässig, auch wenn der Schalthebel nicht immer das gleiche Feedback liefert. Die Sportlichkeit des Motors verlangt aktives Schalten: Erst ab rund 7000 bis 9000 U/min steht genügend Leistung bereit, um steile Kehren oder enge Passagen mit gutem Vortrieb zu meistern. Beim Bergabfahren zeigt sich eine Schwäche der Offroad-orientierten Bremsanlage: Die Vorderradbremse besitzt einen weichen Druckpunkt und ist nicht besonders standfest. Nach einigen sportlichen Verzögerungen lässt die Bremswirkung spürbar nach. Die Hinterradbremse ist gut dosierbar, sitzt für sitzenden Fahrbetrieb aber etwas hoch. Im Straßenbetrieb greift die Traktionskontrolle im "Street"-Modus zu früh ein. Da der Motor linear und gut kontrollierbar Leistung abgibt, funktioniert das Fahren ohne TC auf trockenen Straßen auch sehr gut.
KTM 390 Adventure R Offroad-Fähigkeiten im Test
Die Offroad-Passagen der Tour führen über seichte Schotterstrecken, eine Militärstraße und schließlich über die durch Holztransport aufgerauten Wege hinauf zur Straniger Alm an der italienisch-österreichischen Grenze. Ursprünglich wollten wir uns auch in etwas ambitionierteres Gelände wagen, doch die großen Offroad-Ambitionen der KTM haben es mich schon in einer Schotterkehre übertreiben lassen und der folgende Bodenkontakt hemmt unser Vorhaben etwas. Aber selbst die Light-Variante dieses knapp 1.500 km langen Tests liefert uns genug Eindrücke, um das Potenzial der 390 Adventure R einschätzen zu können.
Die Ergonomie im Stehen wirkt auf Anhieb stimmig. Die schmale Taille erleichtert Bewegungen, besonders in engen Schotterkehren oder bei kontrollierten Slides. Fahrer über 1,90 Meter könnten zu einer Lenkererhöhung greifen, doch für durchschnittliche Körpergrößen bietet die KTM eine aktive, nicht zu anstrengende Offroad-Position. Das WP-Fahrwerk bestätigt auch im Gelände seine hohe Güte. Die 230 Millimeter Federweg bieten enorme Reserven, und auch schnelle Schläge oder grobe Unebenheiten bringen das Fahrwerk kaum aus der Ruhe. Die KTM vermittelt im losen Terrain viel Stabilität und Vertrauen. Die Bremsanlage ist im Offroad-Einsatz klar abgestimmt: weicher Druckpunkt, gut dosierbar, ABS abschaltbar - ideal für kontrollierte Drifts.
Der Motor bleibt jedoch auch hier der polarisierende Faktor. Sein Charakter verlangt hohe Drehzahlen und häufiges Schalten, um genug Vortrieb zu generieren. In technischen, langsamen Passagen fehlt das kraftvolle Drehmoment aus geringer Geschwindigkeit, das viele klassische Enduros und Einzylinder-Motoren auszeichnet. Für sportliche Offroad-Fahrer, die ohnehin meist im oberen Drehzahlbereich unterwegs sind, ist das weniger problematisch. Wer jedoch eher traktorenartige Kraftentfaltung erwartet, findet hier nicht die ideale Auslegung. Mit nur 176,5 Kilogramm vollgetankt bleibt die KTM dennoch die leichteste ernsthafte A2-Reiseenduro im Test und zeigt im Gelände eindrucksvoll ihre physikalischen Vorteile.
Erfahrungsbericht: Stadler Transformer Enduro-Kombi im Test-Einsatz
Für diesen Test war ich mit dem Stadler Transformer unterwegs, einem hochbelüfteten Sommeranzug aus abriebfestem Cordura mit großflächigen Stretcheinsätzen und Level-2-Protektoren. Abseits der Stadler-typischen, sehr hohen Qualität, hat die Transformer Jacke ein Alleinstellungsmerkmal, welches sie super für motivierte Enduro-Touren macht: Die Ärmel lassen sich abnehmen. Mit einer Protektorenweste kombiniert erreicht der Transformer Anzug dadurch ein ungeahntes Level von Durchlüftung und Bewegungsfreiheit. Die Passform ist körpernah, bleibt aber dank der flexiblen Stretch-Materialien extrem beweglich - besonders im Offroad-Einsatz. Die elf Ventilationsöffnungen der Jacke und die gut positionierten Belüftungen der Hose sorgen für starken Luftdurchsatz, was im warmen Friaul ein echter Komfortgewinn war. Der Sturz auf Schotter zeigte zudem: Der Transformer steckt harte Beanspruchungen souverän weg. Für sommerliche Adventure-Touren ist der Stadler Transformer eine der hochwertigsten Optionen am Markt. Mehr dazu gibt es hier im ausführlichen Stadler Transformer Erfahrungsbericht.
Conclusion: KTM 390 Adventure R 2025
So kompromisslos auf den Offroad-Einsatz getrimmt war die 390 Adventure noch nie. Mit mächtigen Federwegen, moderner Elektronik und weniger als 180 kg könnte die 390 Adventure R die seit Jahren gesuchte, eierlegende Wollmilchsau unter den Reiseenduros sein. Sie kann problemlos Autobahnetappen bezwingen, durchs Winkelwerk gejagt oder über Stock und Stein getrieben werden. Aber einen potenziellen Haken gibt es: Der aus der 390er Duke übernommene Motor ist auch in der Adventure R sehr Drehzahl-hungrig. Die Folgen sind permanentes Schalten und kaum spontan verfügbarer Vortrieb. Gerade im Enduro-Betrieb kann das stören. Ob die KTM 390 Adventure R also langjährige Sehnsüchte erfüllen kann, bleibt Geschmackssache.
- Top Ergonomie für stehendes als auch sitzendes Fahren
- Einstellbares Fahrwerk mit sehr viel Reserven
- Hochmoderne Elektronik
- Guter Windschutz
- Vielseitig einsetzbar
- Ernste Enduro-Bereifung
- Niedriges Gewicht
- Motor braucht viel Drehzahl für souveränen Vortrieb
- Motor neigt zum Absterben
- Bremsen wenig standfest
- Fokus auf Sportlichkeit mindert Komfort (zB recht harte Sitzbank)