Die Route 333 von Halifax nach Peggy's Cove offenbart bereits in den ersten Kilometern, warum Nova Scotia zu den unentdeckten Perlen unter den Motorrad-Destinationen zählt. Was europäische Piloten hier erwartet, übersteigt jede Vorstellungskraft: eine Landschaft von solch dramatischer Intensität, dass die Sinne permanent überfordert sind. Wald, Wasser, Meer und Seen wechseln in einem derart raschen Rhythmus, dass man den Überblick verliert – ist das neben der Fahrbahn gerade ein Binnensee oder eine Meeresbucht? Manchmal verraten es die Wellen, manchmal die Farbnuancen des Wassers, doch meist bleibt man im Stadium permanenten Staunens gefangen.
Die Route 333 erweist sich sofort als einer der Höhepunkte dieser Tour – landschaftlich betörend, an diesem Montag verkehrsarm, mit jenem flüssigen Fahrgefühl, das die R 1300 GS Adventure zu ihrem Element macht. Bei Peggy's Cove angelangt, unterliegen wir natürlich der Versuchung, auf den charakteristischen Granitfelsen herumzuklettern, doch hier konzentriert sich auch das touristische Nova Scotia in Reinkultur. Abseits dieses Hotspots jedoch offenbart sich selbst in der Hauptsaison eine Gelassenheit, die europäische Verhältnisse vergessen lässt.
Ein Fotostopp am Queensland Beach demonstriert die ganze Ambivalenz dieser Küste: weißer Sandstrand von karibischer Ästhetik, doch Wassertemperaturen, die nur Hartgesottene oder bei optimalen Bedingungen verwöhnte Mittelmeertouristen ins kühle Atlantikwasser locken. So navigieren wir zwischen Halbinseln und Landesinneren, durchqueren die Bilderbuchörtchen Chester und Mahone Bay, bis Lunenburg vor uns liegt – ein Anblick von solch pittoresker Vollendung, dass man sich angekommen fühlt an einem wahren Ziel.
Neben dem Smoking Restaurant abgestellt, die R 1300 GS Adventure im Schatten der bunten Holzfassaden, genießen wir eine Barbecue-Küche mit Atlantikblick und jene intensive Farbenpracht, die Lunenburg zum UNESCO-Welterbe adelt. Die Rückfahrt mit der Sonne im Rücken variieren wir bewusst – wo morgens das Landesinnere lockte, wählen wir nun Abstecher auf weitere Halbinseln. Das geringe Verkehrsaufkommen unter der Woche, die permanenten Aussichten und dieser flüssige Verkehrsfluss lassen uns förmlich neben dem Atlantik dahingleiten.
Nach diesem ersten Tag in Nova Scotia sind wir von einer tiefen Dankbarkeit erfüllt, hier Gast sein zu dürfen – und gleichzeitig von einer Vorfreude auf das, was die kommenden Tage noch bereithalten werden. Denn wenn schon dieser sanfte Auftakt derart überwältigt, was mag erst der Cabot Trail für uns bereithalten?
Hier die Tour zum Nachfahren auf Calimoto.